Aus der Wohnung vertrieben ins Sammel- und Durchgangslager
Hasenleiten und Baumgarten
Den Wohnhausanlagen „Hasenleiten“ und „Hugo-Breitner-Hof“ kommt historisch besondere Bedeutung zu: Auf den Grundstücken standen zuvor Baracken, die unter den Nationalsozialisten als Durchgangs- und Umsiedlungslager für die unter anderen aus Gemeindebauten delogierte jüdische Bevölkerung Verwendung fanden. Jüdinnen und Juden, die ihrer Wohnung beraubt worden waren, kamen zum größten Teil in eines dieser Lager, bevor sie weiter in Konzentrations- bzw. Vernichtungslager deportiert wurden. Die frei gewordenen Wohnungen in den Gemeindebauten wurden an die vormaligen Bewohner*innen der Baracken - NS-Sympathisant*innen und Funktionär*innen - vergeben.
Wohnungsnot im Wien nach dem 1. Weltkrieg
Die Wohnungsnot um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert und vor dem ersten Weltkrieg war verheerend. Die Bassenawohnungen waren überbelegt und hygienisch höchst bedenklich. Krankheiten konnten sich sehr rasch ausbreiten. Mieter*innen waren willkürlichen Mieterhöhungen und dem schrankenlosen Kündigungsrecht seitens der Vermieter*innen ausgesetzt.
Erst die vier Mieterschutzverordnungen aus den Jahren 1917/1918 brachten für Mieter*innen eine deutliche Verbesserung. Vermieter konnten nun nicht mehr die Mieten willkürlich anpassen und Mieter*innen ohne Nennung von Gründen sofort kündigen. Allerdings unterlagen nur jene Wohnungen, die vor 1917 gebaut wurden, dem Mieterschutzgesetz. Bewohner*innen der erst danach errichteten Gemeindebauten sollte das zum Verhängnis werden.
Wohnbauoffensive des Roten Wien
Die Wohnungsnot blieb trotz Mieterschutzverordnung weiterhin eine große Sorge, der Zuzug nach Wien dauerte an. Es war daher an den Sozialdemokraten, die 1919 bei den Gemeinderatswahlen die Mehrheit erreichten, das Wohnungsproblem zu lösen. Die Strategie des sogenannten „Roten Wien“ waren kommunale Wohnbauten, finanziert durch eine neue Wohnbausteuer. Die Stadt Wien konnte in der Zwischenkriegszeit rund 66.000 Wohnungen bauen. Allein in Simmering fanden daraufhin 2.774 Familien in 19 Wohnausanlagen ein Zuhause. Nur 0,8% dieser Wohnungen wurden an jüdische Mieter*innen vergeben, der Anteil der Anmeldungen seitens der jüdischen Bevölkerung war jedoch beträchtlich größer (23,2%).
Ständestaat: Der kommunale Wohnbau kommt zum Erliegen
Mit Einführung des Ständestaates 1934 wurden nur mehr in Bau befindliche Gemeindebauten fertig gestellt, bevor der kommunale Wohnbau bis 1939 vollständig zum Erliegen kam.
Da die Gemeindebauten nicht dem Mieterschutzgesetz von 1917 unterlagen, konnten ihre Bewohner*innen ohne Angabe von Gründen innerhalb weniger Tage aus den Wohnungen entfernt werden. Das machten sich die Nationalsozialisten seit dem „Anschluss“ 1938 zunutze. Mit Machtübernahme erteilte der NS-Vizebürgermeister und SA-Brigadeführer Thomas Kozich den Auftrag, allen jüdischen Mieter*innen in den Wohnhäusern der Stadt Wien zu kündigen, dies betraf rund 2.000 Mietparteien.
Die meisten hatten bis 1. August die Wohnung zu verlassen. Es gab zwar Versuche einer Räumungsaufschiebung oder ihre Verhinderung, in den meisten Fällen allerdings erfolglos. Die frei gewordenen Wohnungen sollten die größte Wohnungsnot beseitigen und Parteigenoss*innen zugutekommen. Die gekündigten jüdischen Mieter*innen hingegen wurden in die Barackenlager Hasenleiten oder Baumgarten umgesiedelt.
Barackenlager Hasenleiten
Das Barackenlager in Hasenleiten war 1915 als Kriegslazarett errichtet worden. Nach dem Krieg wurde aus den Baracken eine provisorische Wohnsiedlung. 3.500 Menschen lebten 1935 in diesen Notquartieren, 2.000 davon waren Kinder. Die meisten der dort Lebenden waren weder erwerbstätig, noch hatten sie Anspruch auf Arbeitslosengeld, sie waren „ausgesteuert“.
Ab 1938 wurde diese Anlage als Umsiedlungslager für die aus den Gemeindebauten gekündigten jüdischen Mieter*innen verwendet. Bereits im Oktober 1938 gab es keine freien Wohnplätze mehr. Die Menschen lebten dort in großer Not. Eine kleine Unterstützung bekamen sie lediglich von der Israelitischen Kultusgemeinde. Aus diesem Durchgangslager wurde die jüdische Bevölkerung sukzessive deportiert, sodass im November 1943 der dort zuständige Hausinspektor berichtete, dass es im Barackenlager keine jüdischen Mieter*innen mehr gäbe.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde im Jahr 1950 die heutige Wohnhausanlage in der Hasenleiten mit insgesamt 168 Wohnungen vollendet.


Barackenlager Baumgarten
Auch das Barackenlager Baumgarten in der Linzerstraße war ein Lazarett aus der Zeit des ersten Weltkriegs und wurde als Übergangslösung für die zwangsausquartierte jüdische Bevölkerung aus den Gemeindebauten und später als Zwangsarbeiter*innenlager genutzt. Bereits 1939 gab es einen Plan, auf den Gründen der Linzerstraße 299 eine weitläufige Wohnhausanlage zu errichten. Aufgrund des 2. Weltkrieges wurde dieses Projekt jedoch erst 1949 umgesetzt. Der Gemeindebau „Hugo-Breitner-Hof“ wurde im Jahre 1954 eröffnet und war das erste große Bauprojekt der Gemeinde Wien nach dem Krieg.
